EU-Richtlinie zum Umweltstrafrecht 2024

Die Europäische Union plant eine wichtige Überarbeitung der Richtlinie 2008/99/EG zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt. Diese Reform zielt darauf ab, Umweltkriminalität effektiver zu bekämpfen und die Durchsetzung von Umweltvorschriften in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Im Folgenden geht es um die wichtigsten Aspekte dieser geplanten Änderung und die Auswirkungen auf das deutsche Strafrecht.

Hintergrund der Reform

Die Richtlinie 2008/99/EG wurde mit dem Ziel verabschiedet, die Umwelt durch strafrechtliche Maßnahmen besser zu schützen. Allerdings hat eine Bewertung der Europäischen Kommission im Jahr 2020 erhebliche Schwächen und Inkonsistenzen in der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten aufgezeigt. Diese Defizite umfassen unter anderem Unterschiede in den Strafandrohungen, die Auslegung von rechtlichen Begriffen und die praktische Durchsetzung von Umweltgesetzen.

Ziele der Reform

Die geplante Revision der Richtlinie hat sechs Hauptziele:

  1. Klarstellung von Definitionen: Vage und unklare Begriffe sollen präzisiert werden, um die Effektivität von Ermittlungen und Strafverfolgung zu erhöhen.
  2. Erweiterung des Anwendungsbereichs: Neue Kategorien von Umweltverbrechen sollen aufgenommen werden.
  3. Harmonisierung von Sanktionen: Sanktionstypen und -höhen sollen vereinheitlicht und verschärft werden, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.
  4. Förderung grenzüberschreitender Ermittlungen und Strafverfolgung: Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten soll intensiviert werden.
  5. Verbesserung der Datenerhebung: Einheitliche Standards für die Sammlung und Verbreitung von statistischen Daten sollen eingeführt werden.
  6. Effektivere nationale Durchsetzungsketten: Die Fähigkeiten und Ressourcen nationaler Vollzugsbehörden sollen gestärkt werden.

Wichtige Änderungen im Überblick

  1. Klarstellung von Definitionen
    Die neue Richtlinie soll unklare Begriffe wie „erheblicher Schaden“ und „nicht unerhebliche Menge“ genauer definieren. Dies soll dazu beitragen, dass Umweltverbrechen klarer identifiziert und verfolgt werden können.
  2. Erweiterung der Umweltverbrechen
    Der Anwendungsbereich der Richtlinie wird von neun auf 18 Kategorien erweitert. Neue Verbrechen umfassen unter anderem illegales Schiffsrecycling, illegale Wasserentnahme und Verstöße gegen die Vorschriften zur Einführung und Verbreitung invasiver Arten.
  3. Harmonisierung und Verschärfung von Sanktionen
    Die Richtlinie legt Mindesthöhen für maximale Sanktionen fest. Beispielsweise sollen Verbrechen, die zum Tod oder zu schweren Verletzungen von Personen führen, mit mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Für juristische Personen können Geldstrafen in Höhe von bis zu 5 % des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden.
  4. Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
    Durch klarere Definitionen und einheitliche Sanktionen wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert. Die Richtlinie betont auch die Zusammenarbeit mit EU-Agenturen wie Europol und Eurojust.
  5. Verbesserte Datenerhebung
    Mitgliedstaaten müssen detaillierte und vergleichbare statistische Daten zu Umweltverbrechen sammeln und der Kommission jährlich zur Verfügung stellen. Dies umfasst Daten zu gemeldeten Fällen, Ermittlungen, Verurteilungen und verhängten Strafen.
  6. Effektivere nationale Durchsetzung
    Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, sicherzustellen, dass ihre Vollzugsbehörden über ausreichend qualifiziertes Personal und Ressourcen verfügen. Spezialisierte Schulungen und moderne Ermittlungsmethoden sollen regelmäßig durchgeführt und eingesetzt werden.

Ökozid


Ein besonders bedeutender Aspekt dieser Reform ist die Behandlung des Ökozids.

Was bedeuted Ökozid? Ökozid bezeichnet schwere Umweltschäden, die großflächig, irreversibel oder langanhaltend sind und bedeutende Ökosysteme zerstören oder erheblich schädigen. Diese Definition hebt die Schwere und Tragweite der Verbrechen hervor, die unter diesen Begriff fallen sollen.

Der Richtlinien-Entwurf behandelt Ökozid im Rahmen der Erläuterungen, schafft aber keinen eigenen Tatbestand (was im Parlament bereits kritisiert wurde): Konkret wird beschrieben, dass Umweltverbrechen, die zu einer „Zerstörung oder weitreichenden und erheblichen Schädigung eines Ökosystems von beträchtlicher Größe oder ökologischem Wert führen, die entweder irreversibel oder langfristig ist“ (Erläuterung 9f), als besonders schwere Straftaten angesehen werden. Diese sollen mit strengeren Strafen geahndet werden. Dies umfasst Fälle, die mit dem Begriff Ökozid vergleichbar sind, der bereits in den Rechtssystemen einiger Mitgliedstaaten abgedeckt ist und auf internationalen Foren diskutiert wird, sodass der Ökozid in einem Umkehrschluss Teil der Richtlinie sein wird.

Auswirkungen auf das deutsche Strafrecht

Die Umsetzung der neuen Richtlinie wird auch das deutsche Strafrecht beeinflussen. Hier sind einige der wichtigsten Änderungen und Herausforderungen:

  1. Anpassung der Strafgesetze
    Deutschland wird seine bestehenden Strafgesetze an die neuen EU-Standards anpassen müssen. Dies betrifft sowohl die Definitionen von Umweltverbrechen als auch die Höhe der Sanktionen. Insbesondere die Einführung von Mindeststrafen für bestimmte Verbrechen wird eine bedeutende Änderung darstellen.
  2. Stärkung der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden
    Deutsche Behörden müssen sicherstellen, dass sie über ausreichende Ressourcen und qualifiziertes Personal verfügen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. Dies kann zusätzliche Investitionen in Schulungen und Ausrüstung erfordern.
  3. Verbesserung der Datenerhebung
    Deutschland wird verpflichtet sein, detaillierte und standardisierte Daten zu Umweltverbrechen zu sammeln und zu melden. Dies erfordert möglicherweise Anpassungen in den bestehenden Erfassungssystemen und eine engere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Behörden.
  4. Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
    Die deutschen Behörden werden verstärkt mit ihren europäischen Partnern zusammenarbeiten müssen. Dies umfasst sowohl die Ermittlungen als auch die Strafverfolgung von Umweltverbrechen, die über nationale Grenzen hinausgehen.

Fazit

Die geplante Überarbeitung der EU-Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt stellt einen wichtigen Schritt dar, um Umweltkriminalität effektiver zu bekämpfen und die Einhaltung von Umweltvorschriften zu verbessern. Für Deutschland bedeutet dies bedeutende Änderungen im Strafrecht und erhebliche Anstrengungen zur Anpassung und Umsetzung der neuen Anforderungen. Es bleibt abzuwarten, wie diese Reformen in der Praxis umgesetzt werden und welche Auswirkungen sie auf den Schutz der Umwelt haben werden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht)
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