Klimaprotest: Einstufung einer Gruppe von Klimaaktivisten als kriminelle Vereinigung

Die Entscheidung des Landgerichts München I vom 16. November 2023 (Az.: 2 Qs 14/23) behandelt die Einstufung einer Gruppe von Klimaaktivisten als kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB und bestätigt die Rechtmäßigkeit von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen gegen ein Mitglied dieser Gruppe.

Sachverhalt

Gegen mehrere Personen, die sich in der Vereinigung engagieren, wurde ein Ermittlungsverfahren geführt. Die Generalstaatsanwaltschaft München warf ihnen vor, unter anderem durch Straßenblockaden, das Eindringen auf Flughafengelände und die Manipulation von Ölpipelines Straftaten begangen zu haben, um auf ihre klimapolitischen Forderungen aufmerksam zu machen. Einer der Beschuldigten legte Beschwerde gegen die Durchsuchung seiner Wohnung ein.

Rechtliche Würdigung

Das Landgericht stufte die Vereinigung als kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB ein. Nach der Definition in § 129 Abs. 2 StGB handelt es sich bei einer Vereinigung um einen auf Dauer angelegten, organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Interesses.

Das Gericht stellte fest, dass die Aktivisten wiederholt schwere Straftaten begangen haben, die eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Obwohl der Zweck der Vereinigung nicht ausschließlich in der Begehung von Straftaten liegt, sind diese dennoch ein wesentlicher Bestandteil ihres Erscheinungsbilds:

Zweck oder Tätigkeit der Vereinigung muss auf die Begehung von Straftaten gerichtet sein, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass § 129 Abs. 1 StGB nicht nur dann anwendbar ist, wenn die Straftaten, die begangen werden sollen, Endziel, Hauptzweck oder ausschließliche Tätigkeit der Vereinigung sind (vgl. zum Ganzen BGH NJW 1995, 340, 343; BGH bei Wagner GA 1967, 103; NJW 1966, 310 – jeweils unter Hinweis auf BGHSt 15, 259, 260; ferner BGHSt 27, 325, 326). Die Begehung von Straftaten ist jedenfalls dann nicht von untergeordneter Bedeutung nach § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB, wenn sie zwar nur einen von mehreren Zwecken (oder eine von mehreren Tätigkeiten) der Vereinigung darstellt, dieser Zweck (diese Tätigkeit) aber wenigstens in dem Sinne wesentlich und damit gleichgeordnet mit den anderen ist, dass durch das strafrechtswidrige Verhalten das Erscheinungsbild der Vereinigung aus der Sicht informierter Dritter mitgeprägt wird (vgl. Lampe ZStW 106 (1994), 683, 706, 707).

Vorliegend bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die „…“ zum Ziel gesetzt hat, verschiedene Forderungen gegenüber der Bundesregierung durchzusetzen und sie sich hierbei verschiedener Protestformen bedient, wobei Blockaden von Straßen und Flughäfen medial und auch aufgrund der Beeinträchtigung einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern oder Flugreisenden dem Erscheinungsbild der „…“ ein nicht unwesentliches Gepräge geben.

Das Erscheinungsbild der „…“ wird somit durch die infrage kommenden Straftatbestände wie hier beispielhaft in Betracht zu ziehenden Nötigungen oder (gemeinschädliche) Sachbeschädigungen – wesentlich mitgeprägt. Der Straftatbestand der Nötigung sieht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor, der Straftatbestand der Sachbeschädigung Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, der Straftatbestand der gemeinschädlichen Sachbeschädigung Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen

Die Richter prüften auch die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen verhältnismäßig waren, da der Verdacht bestand, dass der Beschwerdeführer an Straftaten beteiligt war, die eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Mildernde Maßnahmen hätten nicht zum gleichen Erfolg geführt.


Fazit

Die Entscheidung bestätigt die Einstufung der Klimaaktivisten als kriminelle Vereinigung und die Rechtmäßigkeit der gegen sie ergriffenen Maßnahmen. Sie betont die Bedeutung des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und die Grenzen des zivilen Ungehorsams, wenn dieser in Straftaten mündet.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht)
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