Gemeingefährliche Vergiftung

Das OLG Zweibrücken (1 Ws 76/16) hatte Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, wann eine gemeingefährliche Vergiftung (§314 StGB) anzunehmen ist: Es weist darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts Sinn und Zweck des Tatbestandes der gemeingefährlichen Vergiftung – nämlich die Abwehr von Gefahren für die Volksgesundheit – gebieten, bei der Überlassung von Gegenständen an Käufer oder Verbraucher alle Gegenstände zu erfassen, die entgegen der von den Empfängern vorausgesetzten Beschaffenheit Stoffe der in § 314 StGB bezeichneten Art enthalten, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu zerstören (vgl. RGSt 67, 360, [361] zu § 324 StGB). RGSt 67, 360, [361] zu § 324 StGB a.F.).

Diese Auslegung überschreitet nach Auffassung des OLG jedoch den Wortsinn des § 314 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wonach die zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmten Gegenstände ihre abstrakte Gefährlichkeit erst durch den Akt des Vergiftens oder Vermischens erhalten (zum Wortlaut als Grenze der Auslegung einer Strafnorm vgl. BVerfGE 64, 389).

Denn der Begriff „vergiften“ oder „beimischen“ meint – im Gegensatz zu „giftig“ oder „gesundheitsschädlich“ – eine wie auch immer geartete Zustandsänderung, die nach ihrem Eintritt nicht mit dem Bezugsobjekt identisch sein kann. Eine solche Identität ist aber immer dann gegeben, wenn der Bezugsgegenstand die in diesem Sinne unveränderte Bestimmung als giftig oder – wie hier – als gesundheitsschädlich bereits in sich trägt.

Mit dem OLG ist daher eine teleologische Reduktion des § 314 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf Gegenstände oder Stoffe geboten, die nicht aus sich heraus giftig oder gesundheitsschädlich sind (zustimmend Güttner, FD-StrafR 2016, 377129). Es kann daher letztlich dahinstehen, ob sich dieses Ergebnis nicht bereits aus der Grenze des möglichen Wortsinns ergeben muss. Im Falle der fehlenden Gesundheitsschädlichkeit bei – nur scheinbar – bestimmungsgemäßem Gebrauch durch Rauchen (ohne Aufnahme in den Körper) läge zudem bereits kein tauglicher Gegenstand im Sinne des § 314 StGB vor. Im Rahmen der 2. Tatbestandsalternative wäre weiterhin ein Verschweigen der gefährlichen Eigenschaft der in den Verkehr zu bringenden Gegenstände erforderlich. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Streichung der Worte „unter Verschweigen dieser Eigenschaft“ lediglich den Tatbestand vereinfachen und straffen (BTDrucks 13/8587, S. 51), nicht aber seinen Anwendungsbereich erweitern.

Keine fahrlässige Gewässerverunreinigung bei Verkehrsunfall

Das OLG Oldenburg (1 Ss 154/14) hält den Anwendungsbereich der fahrlässigen Gewässerverunreinigung gemäß § 324 Abs. 1, Abs. 3 StGB bei einem Verkehrsunfall für nicht eröffnet.

Es verweist insoweit auf den im Gesetzentwurf (BT-Drs. 8/2382, S. 15) zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, wonach sich die Prüfung der in Absatz 3 normierten Fahrlässigkeit selbstverständlich auf die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung unter Berücksichtigung der sozialadäquaten Risiken erstrecken soll. Die in diesem Zusammenhang ausdrücklich in Bezug genommenen Erläuterungen zu Absatz 1 weisen in diese Richtung:

„… auch Verkehrsunfälle, die zu Verunreinigungen führen, werden (vornehmlich über Absatz 3) erfaßt (Kollisionen mit Tankwagen, Zusammenstöße mit Schiffen, die – wie Öltanker – gefährliche Fracht befördern)“

Schon diese Formulierung spricht nach Ansicht des OLG dagegen, dass es der Intention des Gesetzgebers entsprechen könnte, Vorgänge des normalen Straßenverkehrs im Hinblick auf mögliche Umweltgefährdungen unter Strafe zu stellen.

Diese Einschätzung deckt sich aus Sicht des OLG mit einer Auswertung der zur fahrlässigen Gewässerverunreinigung ergangenen Rechtsprechung. Die insoweit veröffentlichten Entscheidungen behandeln durchweg nur solche Fallgestaltungen, die der Gesetzgeber mit der Beschränkung auf Beförderungsmittel mit gefährlicher Ladung bereits im Blick hatte (es wird dann verwiesen auf: OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. Dezember 1992 – 2 Ss 263/92 -, NJW 1993, 1408 [OLG Düsseldorf 01.12.1992 – 2 Ss 263/92 – 88/92 II], [OLG Düsseldorf 01.12.1992 – 2 Ss 263/92 – 88/92 II] betreffend einen Heizöltransporter; OLG Hamm, Beschluss vom 3. November 1992 – 2 Ss 1029/92 -, juris, betreffend ein Tankfahrzeug; OLG Hamburg, Urteil vom 25. Oktober 1982 – 2 Ws 144/82 -, NStZ 1983, 170, betreffend eine Schiffskollision).

Der Meinungsstand in der Literatur ergibt ein uneinheitliches Bild:

Während verschiedene Stimmen – einige ohne nähere Begründung – eine auf einen Verkehrsunfall zurückzuführende Verunreinigung von der Norm erfasst sehen wollen (vgl. Fischer, 61. Aufl. 2014, StGB, § 324 Rn. 10; Ransiek, in: Kindhauser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 324 Rn. 47 und § 324a Rn. 17; LK- Steindorf, StGB, 11. Aufl. 2005, § 324 Rn. 122) wird auch die einschränkende Ansicht vertreten, die Norm sanktioniere nur Führer solcher Fahrzeuge, die für die Umwelt darstellende gefährliche Güter mitführen (vgl. Alt, in: MüKO, StGB, 2. Aufl. 2014, § 324 Rn. 51).

Das OLG hielt demgegenüber die Auffassung für vorzugswürdig, die sowohl dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers als auch dem daraus abzuleitenden Schutzzweck der Norm hinreichend Rechnung trägt:

hierzu Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 324 Rn. 15, Schall, in: SK-StGB, 8. Aufl., Stand Juli 2012, § 324 Rn. 49; Krell, NZV 2012, 116).

Danach kommt es darauf an, ob die Verkehrsvorschriften nur allgemein die Verkehrssicherheit regeln (wie etwa Geschwindigkeitsvorschriften, Überholvorschriften, Fahrzeugzustand) oder zumindest auch den Gewässerschutz bezwecken. Allein die Verletzung allgemeiner straßenverkehrsrechtlicher Normen reicht nicht aus; die verletzte Sorgfaltspflicht muss vielmehr gewässerspezifisch sein und darf nicht nur einen Schutzreflex darstellen.

Denn wer zu schnell fährt oder eine rote Ampel überfährt, handelt zweifellos fahrlässig gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, nicht aber gegenüber der Umwelt. Für eine solche Einschränkung des Schutzzwecks der Norm spricht auch ein Vergleich mit dem im Umweltstrafrecht allgemein angewandten Sorgfaltsmaßstab. Dort ist mangels spezieller Normen entscheidend, welche Sorgfalt ein „umweltbewusster Rechtsgenosse“ (hierzu OLG Celle, Urteil vom 15. Oktober 2009 – 32 Ss 113/09 -, NdsRpfl 2010, 32) beachtet hätte. Dass ein solcher sein Fahrzeug gerade aus Pflichtbewusstsein gegenüber der Umwelt stets verkehrsgerecht führen würde, ist lebensfremd.