Beim Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 152/22 und 20 U 72/22, ging es um die Zulässigkeit der Bewerbung von Produkten mit dem Schlagwort „Klimaneutral“ – wobei die Klimaneutralität hier bilanziell mit Kompensationsmaßnahmen erreicht wurde, das Produkt an sich aber nicht klimaneutral hergestellt wurde. Das OLG bestätigt, insoweit, als solche Produkte zwar als klimaneutral beworben werden dürfen, allerdings Aufklärungspflichten hinsichtlich der erlangten Klimaneutralität bestehen.
Hinweis: Die in einem Verfahren vorhergehende und bestätigte Entscheidung des Landgerichts Mönchengladbach (8 O 17/21) bespreche ich in einer der nächsten Ausgaben des JurisPR-IT-Recht!
Irreführende Werbung durch Behauptung von Klimaneutralität?
Eine Irreführung im Sinne des Wettbewerbsrechts durch aktives Tun (§ 5 UWG) liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft, nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Dies ist mit dem OLG bei der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ ausdrücklich nicht ohne weiteres der Fall. Entgegen der Ansicht des Klägers ist dieser nicht zwingend im Sinne eines gleichsam emissionsfreien Herstellungsprozesses zu verstehen.
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Schleswig zu dieser Thematik führt das OLG Düsseldorf nunmehr kurz aus, dass der Durchschnittsverbraucher den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen CO2-Bilanz des Unternehmens verstehe – wobei ihm bekannt sei, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden könne:
Dies gilt schon deshalb, weil dem Verbraucher bekannt ist, dass auch Waren und Dienstleistungen als „klimaneutral“ beworben werden, die nicht emissionsfrei erbracht werden können und bei denen die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen möglich ist, wie etwa Flugreisen. Nicht anders ist es, wenn sich die Klimaneutralität – wie hier – nicht auf das Unternehmen als Ganzes, sondern nur auf ein konkretes Produkt bezieht.
Irreführende Werbung durch weglassen von Informationen?
Auch wenn eine irreführende geschäftliche Handlung durch aktives Tun mangels Irreführung des Verbrauchers nicht vorliegt, kann ein Verstoß gegen die Informationspflicht des Werbenden vorliegen, wenn dem Verbraucher eine für seine Entscheidung wesentliche Information vorenthalten wird (vgl. § 5a Abs. 1 UWG).
Danach handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine unter Berücksichtigung aller Umstände wesentliche Information vorenthält, die dieser benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Wesentlich ist eine Information nicht schon dann, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Erteilung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt. Letztlich bestimmt sich die Wesentlichkeit einer Information also nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Ist eine Information in diesem Sinne wesentlich, muss sie erteilt werden, wobei es im Einzelfall auch geboten sein kann, weitere Umstände mitzuteilen, die für die Beurteilung der Ware oder Dienstleistung bedeutsam erscheinen.
Nach Auffassung des OLG ist die Information darüber, wie die „Klimaneutralität“ eines beworbenen Produkts erreicht wird, eine wesentliche Information im wettbewerbsrechtlichen Sinne. Denn: Klimaschutz ist für Verbraucherinnen und Verbraucher ein zunehmend wichtiges Thema, das nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmt. Das OLG verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des OLG Frankfurt und führt aus, dass die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben kann:
Gerade wenn der Verbraucher – wie dargetan – weiß, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden kann, besteht ein Interesse an einer Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität.
Der Verkehr geht beispielsweise nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich oder sein Produkt als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter beziehungsweise auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen – jedenfalls aus Verbrauchersicht – in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert. Der Verbraucher hat daher ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter (…)
Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen eines Warentests. Auch zur Ermittlung der Klimabilanz gibt es unterschiedliche Kriterien, Herangehensweisen und Bewertungsmaßstäbe, auf deren Kenntnis der Verbraucher zur Bewertung der Angabe „klimaneutral“ angewiesen ist. Im Ergebnis ist daher eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden.
Solche erläuternden Hinweise müssen sich dann in einer etwaigen Werbung, jedenfalls aber auf der Verpackung des Produkts befinden und erläutern, wie es zu der „Klimaneutralität“ kommt. Es reicht nicht aus, wenn sich entsprechende Erläuterungen lediglich auf einer in der Werbung oder auf dem Produkt genannten Internetseite befinden. Das OLG weist allerdings am Rande darauf hin, dass es ausreichend sein könnte, auf eine Internetseite, mit einem Hinweis vergleichbar „Näheres unter …“ zu verweisen. In jedem Fall müsse ein Zusammenhang zwischen der Angabe „klimaneutral“ und der angegebenen Internetseite bestehen.
Fazit zur Werbung mit Klimaneutralität
Das OLG Düsseldorf eröffnet einen vernünftigen Weg zur Bewerbung klimaneutraler Produkte: Mit Blick auf die OLG-Rechtsprechung insgesamt wird auch ein rein bilanziell erreichter CO2-Ausgleich zu einer zulässigen „Klimaneutral“-Bewerbung führen. Allerdings sind eben erläuternde Hinweise dazu erforderlich, wie die Klimaneutralität erreicht werden kann.
Mit der nun vorliegenden Rechtsprechung des OLG Düsseldorf verschieben sich die Fragen dabei in die Details der Gestaltung, da man eben nicht die Produkte mit Hinweisen überfrachten muss, sondern verweisen darf – der Verweis an sich aber als eindeutige Erläuterung zu verstehen sein muss. Aus hiesiger Sicht wäre zu empfehlen, zumindest ein Schlagwort immer in Werbung und auf dem Produkt zu verwenden – etwa durch einen „Sternchenhinweis“ (der sich an den etablierten Regeln zur Blickfangwerbung zu orientieren hat), der durch ein Schlagwort wie „durch Kompensationshandlungen“ ergänzt durch „näheres unter WEBSEITE“ vorsieht.
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